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KARL-LEISNER-JUGEND |
Woke! - Anmerkungen aus Sicht der Kirche
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In diesem Fall hilft uns zunächst wikipedia weiter: «Woke (englisch für aufgewacht, wach; aufmerksam, wachsam) ist ein im afroamerikanischen Englisch in den 1930er Jahren entstandener Ausdruck, der ein wachsames Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus beschreibt.»
In diesem Sinne ist Wokeness erst einmal eine gute Sache und sollte von uns Christen gerne angenommen werden: Eine erhöhte Achtsamkeit für gesellschaftliche Ungerechtigkeiten ist jedem nur zu wünschen.
Nun werden in unserer Gesellschaft gottseidank Diskriminierungen durch Gesetze sanktioniert. Das reicht der Woke-Bewegung allerdings nicht, denn hinter den verletzenden Handlungen stehe ja eine innere Haltung, die Ursache für die Diskriminierungen ist und ebenfalls bekämpft und sanktioniert werden soll. Diese zu ändern, ist Ziel der Woke-Bewegung. Und damit haben wir nun ein grundlegendes Problem.
Der grundlegende Einwand ist also nicht eine Ablehnung der Achtsamkeit selbst, auch nicht unbedingt eine Ablehnung der gewählten Mittel. Aber der Änderungswille unserer inneren Haltung, dieser Erziehungswunsch der Woke-Bewegung ist ein Problem. Eine Erziehung zum Guten und Angemessenen hat ihre Berechtigung in der Pädagogik. In der Politik ist eine solches Vorgehen aber gefährlich. Sehr gefährlich.
Denn in dem Augenblick, in dem in einer Gesellschaft bereits Anzeichen für eine Haltung sanktioniert werden, droht dem Rechtsstaat große Gefahr. Denn wenn eine vermutete (oder auch gesicherte) Haltung bereits zur strafwürdigen Tat wird, werden gleich mehrere Rechtsgrundsätze ausgehebelt: Die Meinungsfreiheit (so schwer sie manchmal zu ertragen ist), die Gewaltenteilung (Verurteilung und Sanktionen sind der Justiz vorbehalten; strafwürdiges Verhalten zu markieren der Legislative) und letztlich die verfassungsgemäße Gleichheit aller vor dem Gesetz. Die Bekämpfung der Diskriminierung außerhalb von Recht und Ordnung führt irgendwann selbst zur Diskriminierung Andersdenkender.
Alles das hat unter Umständen einen Platz in der Kinder-Erziehung. Wenn man sich kennt und einander vertraut, darf auf das verwiesen und reagiert werden, was sich unsichtbar im Gegenüber abspielt.
Die vielgeschmähte CancelCulture hat ihr privates Vorbild im Party-Verbot oder im Hausarrest. Die Streichung von Privilegien aufgrund von ungebührlichem Verhalten ist ein probates Erziehungsmittel im häuslichen Bereich. Als Eltern oder Lehrer muss man für die Verhängung von Strafarbeiten oder Nachsitzen kein Gericht anrufen. Auch wenn jede Autorität angehalten ist, der Gerechtigkeit genüge zu tun, gibt es in der Familie normalerweise kein Berufungsrecht.
Erziehung zielt auf die rechte Haltung ab. Dabei sollten die Erziehungsberechtigten vor allem mit gutem Vorbild vorangehen, sich selbst als Identifikationsfigur anbieten und zur Nachahmung ermuntern. Selbst wenn hier und da zu Sanktionen gegriffen wird: Die innere Haltung der zu Erziehenden kann immer nur mittelbar beeinflusst werden.
Der Versuch, innere Haltungen direkt zu beeinflussen (ob in der Erziehung Einzelner oder in der politisch-medialen Öffentlichkeit), ist nichts anderes als Manipulation.
Aus dem grundlegenden Problem entstehen aber weitere. Denn Anti-Diskriminierungsgesetze durchlaufen einen demokratischen Prozess, im Verdachtsfall prüfen Gerichte die Vorwürfe und sind dabei selbst wieder an die Prozessordnung gebunden. Wer aber legt die Regeln der Wokeness-Bewegung fest? Wer definiert dort, was eine diskriminierende Gesinnung ist? Welche unabhängigen Gerichte prüfen, ob die Anzeichen für eine Diskriminierung schlüssig sind? Und vor allem: Welche Sanktionen sind angemessen? - Der Reihe nach. Also:
Das erste grundlegende Problem ist, dass Wokeness allein noch gar keine Tugend ist. Man kann für alles Mögliche aufmerksam und sensibel sein, ohne dass damit schon eine Wertung verbunden ist. So gibt es das Buch «Die Kunst der achtsamen Schutzgelderpressung» - ein ironischer Titel, der aber deutlich macht, dass Achtsamkeit auch für unethische, zweifelhafte oder ambivalente Ziele eingesetzt werden kann. Bankräuber, die sehr achtsam und aufmerksam eine Bank ausspähen, um sie anschließend zu überfallen, sind keine Vorbilder für Achtsamkeit oder Wokeness.
Auf unsere Fragestellung übertragen: Wer bemüht ist, woke zu sein, ist damit nicht automatisch auf einem guten Weg. Ob Wokeness eine angebrachte Sache ist, hängt nämlich davon ab, ob es sich bei der angeprangerten Diskriminierung nicht vielleicht um eine sachgerechte Reaktion handelt. (So ist die Festnahme von Bankräubern durchaus sachgerecht - nicht diskriminierend.) Natürlich ist der Kampf gegen Rassismus, Homophobie und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und religiöser Überzeugung grundsätzlich eine gute Sache. Aber ob eine konkrete Äußerung über Ausländer, Homosexuelle, Frauen, Muslime oder Transpersonen diskriminierend ist, muss sachlich geprüft werden. Und dabei sind Fragen nach der zugrundeliegenden Moral entscheidend.
Aus einer ethischen Bewertung kann eine größere Achtsamkeit erfolgen. Eine woke Gesinnung allein ersetzt keine Ethik.
Das zweite Problem ergibt sich dadurch, dass eine Diskriminierung oft eindeutig ist; Anzeichen für die zugrundeliegenden Vorurteile sind dagegen vage und oft zweideutig. Sie müssen interpretiert werden.
In Deutschland übernhemen in bestimmten Fällen der Staatsschutz oder die Verfassungsgerichte die Aufgabe, Gesinnungen von Parteien oder auch Personen einzuschätzen. Eine solche Einschätzung kann aber nur aufgrund zuvor klar definierter Kriterien gemacht werden, sie wird von einem ordentlichen Gericht gefällt, ist überprüfbar - und zumeist noch nicht mit Sanktionen verbunden.
Was aber sind Anzeichen einer Gesinnung, die zu diskriminierenden Handlungen führen kann? Ab wann ist eine Gesinnung überhaupt gefährlich? Können verletzende Handlungen nicht aus jeder Gesinnung heraus geschehen? Wer legt diese Kriterien fest und wer überprüft diese?
Die Achtsamkeitsbewegung geht aber noch weiter: Wir müssen nicht nur Ausschau halten nach den ersten Anzeichen von gefährlichen Meinungen gefährlicher Subjekte, sondern sogar nach unbewussten Vorurteilen und Phobien - und Handlungen, die auf den ersten Blick gar nicht verletzend erscheinen. Vor jeder Sanktion müssen wir urteilen und verurteilen. Aber wonach sollen wir uns dabei richten?
Aggressionen erkennt man daran, dass jemand verletzt wird. Selbstverständlich müssen Opfer von Diskriminierungsvorstufen sich dafür nicht rechtfertigen, dass sie darunter leiden. Aber wenn eine Aggression nur darüber erkannt wird, dass sich jemand verletzt fühlt, wird es schwierig für den Rechtsstaat: Kann es in Ordnung sein, dass die Reaktion auf unser Denken, Sprechen und Handeln alleiniges Kriterium für eine Verurteilung und Sanktionierung ist? Hat jeder, der verletzt reagiert, schon deshalb Recht? Was, wenn sich Menschen durch woke Vorwürfe diskriminiert fühlen? Und andere die gleiche Verhaltensweise tolerieren?
Ein Frühwarnsystem für bereits kleinste Anzeichen von Diskriminierung bleibt zudem nutzlos, wenn es nicht auch zu Sanktionen führt. Da die Wokeness-Bewegung ausdrücklich auf noch-nicht-strafbare Anzeichen von Diskriminierungen reagiert, kann sie auch keinen Anspruch auf Sanktionen durch die Justizbehörden erheben. Sie hat somit ihre eigenen, pädagogischen Sanktionen: Öffentliche Benennung und Boykott, Aufklärung und Empfehlungen zur Meidung, Ächtung und gesellschaftlicher Ausschluss. Daraus ergeben sich unmittelbar Phänomene wie Cancelculture, Shitstorms, Political Correctness bis hin zum Ausschluss bestimmter Beschuldigter vom öffentlichen Diskurs (der «diskursiven Exklusion» oder Marginalisierung). Da das alles ohne jede Kontrollinstanz geschieht, stellt sich sehr schnell die Frage, ob damit nicht gefördert wird, was eigentlich bekämpft werden soll: Die Diskriminierung Andersdenkender.
Woke (d. h. achtsam und aufmerksam) zu sein, ist grundsätzlich wünschenswert. Wenn die Gesellschaft aber nicht nur zur Aufmerksamkeit ermahnt, sondern erzogen wird, ist Vorsicht geboten: Sobald die geschützte pädagogische Beziehungsebene verlassen wird, neigt auch die Wokeness zur Übergriffigkeit. Wokeness erfordert eine nicht geringe Wokeness-Achtsamkeit für die eigenen Grenzüberschreitungen.
Wenden wir uns den vier Hauptthemen der Wokeness-Bewegung zu. Diese sind für uns Christen durchaus interessant - aber sehr unterschiedlich in der Bewertung.
Die katholische Kirche hat in ihrer Geschichte konstant und wiederholt jede Form von Rassismus abgelehnt.
Diese Behauptung wird vermutlich sofortigen Widerspruch erzeugen. Hier ist allerdings nicht der Ort, um der weit verbreiteten (historischen) Kritik an der Kirche zu begegnen. Ich halte dagegen erneut fest: Entgegen weit verbreiteter Klischees hat sich vor allem die katholische Kirche immer wieder, klar, unmissverständlich und in den höchsten Lehrdokumenten gegen jede Form von Rassismus ausgesprochen. Ich empfehle dazu «Alles in Christus» von Edward Feser aus dem Jahre 2022 und «Toleranz und Gewalt: Das Christentum zwischen Bibel und Schwert» von Arnold Angenendt, 2018.
Auch wenn die Kirche in ihrer Lehrautorität ein ständiger Mahner gegen Kolonialismus, Rassismus und Menschenrecht war, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Akteure von Ausbeutung, Kolonialismus und Sklavenhandel dennoch Christen gewesen sind. Diese haben sich zwar klar in ihren Handlungen über christliche Prinzipien hinweggesetzt; wurden daran aber selten kirchlich und noch weniger gesellschaftlich gehindert.
Wenn wir also aus der kirchlichen Perspektive zur woken Bewegung zum Schutz vor rassistischen Übergriffen Stellung beziehen wollen, dann stimmen wir dem Ziel voll und ganz zu (dass nämlich alle Menschen von Gott gleich an Würde und Rechten erschaffen wurden).
Lediglich die vermuteten Anzeichen für Rassismus und Diskriminierung deutet die Kirche gelegentlich anders:
Blackfacing (im englischen nur als Blackface verwandt) -
Damit ist die Schwärzung des Gesichtes eines Hellhäutigen gemeint,
die dazu dient, einen Dunkelhäutigen darzustellen. Allgemein wird behauptet,
dass diese Praxis ihren Ursprung in den sogenannten Minstrel-Shows des 18.
und 19. Jahrhunderts in Amerika habe. Die so dargestellten Schwarzen dienten
der Belustigung des weißen Publikums. Dazu wurden bestimmte Merkmale
grotesk überbetont und der Mund z.B. freigestellt.
Dagegen wird zu Recht eingewandt, dass die Darstellung von Menschen anderer
Hautfarbe mit Hilfe von Schminke schon lange vorher üblich war und
keineswegs grundsätzlich der Diffamierung oder Diskriminierung diente.
Auch die Sternsinger haben schon in früheren Zeiten im positiven Sinne
die drei Erdteile (Europa, Asien und Afrika) symbolisiert. Der schwarz-geschminkte
König war ein Zeichen von Wertschätzung und Internationalität.
Auch die Werbung für mildtätige Geldsammlungen (sogenannte «Kollekten»)
geschieht mit Abbildungen der Bedürftigen - in Afrika eben mit schwarzen
Personen, vor allem Kinder. Auch dies wird manchmal kritisiert. So lange
die Darstellung der Sache entspricht und nicht herabwürdigend ist,
besteht hier kein Grund zur Kritik.
Kulturelle Aneignung - In Zeiten der Kolonisation und Ausbeutung
wurden den asiatischen, indonesischen und afrikanischen Völkern zahlreiche
Kulturgüter entwendet, deren Rückgabe bis heute Anlass für
Streitigkeiten liefert. Diese kulturelle Raubzüge werden heute zurecht
als Verbrechen gewertet.
Allerdings wurden nicht nur materielle Güter, sondern auch kulturelle
Traditionen von den europäischen und amerikanischen Gesellschaften
übernommen; vor allem im musikalischen Bereich (z. B. die Gospel, der
Blues und verschiedene Instrumente), aber auch Haartracht, Kleidung, Tänze
oder Festbräuche. Diese Übernahme wird zunehmend als kulturelle
Aneignung kritisiert.
Dabei wird übersehen, dass es in dieser Hinsicht immer schon einen
regen Austausch zwischen den Kulturen gegeben hat und dieser sämtliche
Kulturen bereicherte. Wenn Brahms «Ungarische Tänze» komponierte
oder Beethoven und Mozart «Türkische Märsche» gehört
das genauso zur gegenseitigen Wertschätzung wie ein Oktoberfest, dass
in Dubai gefeiert wird.
Das gilt z. B. auch für die beliebten Maskenbälle oder karnevalistischen
Verkleidung im Rheinland. Obwohl die Vertreter der Wokeness und die
Theoretiker der CRT («Critical Race Theory» - dazu später
mehr) dies grundsätzlich ablehnen und gar nicht danach fragen, ob damit
eine Wertschätzung verbunden ist oder nicht: Ironische, karikierende
und abwertende Darstellungen sind selbstverständlich von wertschätzenden
Darstellungen zu unterscheiden.
Dagegen hat meine Schwester als Kind jahrelang an einem Winnetou-Outfit
gearbeitet; gerade weil sie diese Person und die indianische Kultur verehrte.
Dieses den verkleideten Kinder als verborgen rassistische Aneignung zu verbieten,
verhindert Diversität und kulturelle Vielfalt anstatt sie zu fördern.
Darstellung von Stereotypen - Kulturelle Unterschiede zwischen den Völkern dieser Welt laden dazu ein, diese zu verwenden, um die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe zu symbolisieren. So werden Bayern gerne in Lederhose, Dirndl oder Tracht dargestellt, Norddeutsche manchmal als Matrosen oder Landwirte. Das trifft natürlich noch mehr auf fremde Völker und Kulturen zu. Problematisch ist dabei, dass das oft in Karikaturen oder Bilderwitzen geschieht, wobei im besten Fall die Zugehörigkeit zu einer fremden Kultur nicht selbst Gegenstand des Witzes ist, sondern ihm nur dient. - Grundsätzlich sollte die Andeutung von Ethnien durch Stereotype kein Problem sein, es sei denn das Stereotyp selbst ist herabsetzend. Diese Unterscheidung wird von Vertretern der Wokeness zwar als irrelevant bezeichnet, ist aber für einen aufgeschlossenen Weltenbürger allein von Interesse.
Kulturelle Unterschiede - Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen
verhalten sich anders - auch dann, wenn sie sich in ihnen fremde Länder
begeben. Eventuell kommen sie in unserer westlichen Kultur beruflich gut
zurecht (was z. B. für Menschen aus Asien oft zutrifft), manchmal weniger
gut. Dies als Fakten zu benennen ist Pflicht der Medien, solange sie auch
in Erwägung ziehen, dass auch kulturelle Unterschiede Grund für
die Ungleichheit sein könnten.
Dagegen schweigen woke Menschen gerne dann, wenn gehäuft Straftäter
aus bestimmten Kulturen überführt werden. Aber auch hier gilt:
Die Fakten zu benennen ist Pflicht der Medien. Ob an den statistischen Auffälligkeiten
kulturelle Unterschiede oder doch rassistische Ausgrenzungen schuld sind,
sollte offen geprüft und diskutiert werden.
Fazit - An dieser Stelle will ich die Ausführungen zu diesem Unterthema abbrechen. Denn in der grundsätzlichen Ablehnung des Rassismus stimmen wir Christen mit der Gesellschaft und sogar den CRT-Theoretikern überein. Wir unterscheiden uns allerdings in der Analyse der Mechanismen, die angeblich unterschwellig in jeder Aktion eines Weißen, die einen Farbigen betrifft, mitschwingt. Vor allem bewertet die katholische Moral immer nur die Schuld eines Einzelnen anhand dessen Taten und Tatumstände. Eine Kollektivschuld ganzer Bevölkerungsgruppen oder die sogenannte strukturelle Sünde ohne individuelle Schuldprüfung lehnt die katholische Moral ab.
Deutlich schwieriger ist die Frage nach der Gleichberechtigung von Mann und Frau mit der Wokeness-Bewegung abzugleichen. Wenn wir unsere christliche Auffassung vom Menschen biblisch und philosophisch herleiten - nämlich dass Männer und Frauen gleiche Würde haben, von Gott gegebene unveräußerliche Rechte und eine unverlierbare Gottes-Ebenbildlichkeit -, scheinen sich die Positionen mit denen der woken Bewegung zu decken.
Sobald aber die Fragen konkreter werden, offenbart sich eine immer größer werdende Kluft zwischen woker und kirchlicher Sichtweise: Natürlich sind Mann und Frau von gleicher Würde, dennoch verwirklicht sich ihr Menschsein auf unterschiedliche Weise. Sowohl in der Biologie, der Medizin, der Psychologie und der persönlichen Vorlieben sind Mann und Frau eindeutig verschieden. Beide sind grundsätzlich gleichberechtigt, haben aber aufgrund ihrer unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen verschiedene rechtliche Ausprägungen. Wo fängt dabei eine Diskriminierung an? Welche Unterschiede erfordern tatsächlich ein Ungleichbehandlung zu Wahrung der gleichen Rechte?
Ja, das gibt es: Eine unterschiedliche Rechtslage für Männer und Frauen - zur Wahrung der gleichen Rechte. Dass Männer in vielerlei Hinsicht über größere physische Kräfte verfügen, verlangt zur Wahrung gleicher Rechte z. B. die Trennung von Männer- und Frauensportarten. Auch die Berücksichtigung des Menstruationszyklus kann dazu führen, dass Frauen über bestimmte Rechte verfügen, die den Männern nicht zugestanden werden - damit die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Wirtschaft erhalten bleibt. Alles klar? Dann brauche ich keine weiteren Beispiel zu bringen.
Dabei möchte ich hier drei Themenfelder unterscheiden:
Die historische Rolle der christlichen Religion und Kirche - In
der woken Bewegung scheint es ausgemacht zu sein, dass die Kirche
historisch gesehen die Gleichberechtigung von Mann und Frau über Jahrhunderte
hinweg verhindert hat. Die Belege, die dafür angeführt werden,
sind unzählige. Ein Blick in die christliche Geschichte Europas führt
es (angeblich) deutlich vor Augen: Eine Gleichberechtigung der Geschlechter
habe es (wegen der konservativen christlichen Religion) über Jahrtausende
nicht gegeben, erst in den letzten Jahrhunderten der Aufklärung und
der abnehmenden Bedeutung der christlichen Religion bekamen die Frauen zunehmend
Rechte, die zuvor nur dem Mann zustanden.
Das ist allerdings eine optische Täuschung: Würden wir die Entwicklung
Europas nicht isoliert, sondern im Vergleich mit den anderen Weltkulturen
sehen, so stellt sich diese Entwicklung ganz anders dar. Jordan B. Peterson
hat das im Einzelnen belegt: Der lange Kampf des Christentums für Gleichberechtigung,
Frieden, Überwindung von Klassen- und Stammesgrenzen ist über
Jahrtausende nachweisbar, vor allem, wenn wir die christlichen Länder
in dieser Hinsicht international vergleichen. Als sich dann in der frühen
Neuzeit die Ergebnisse dieses Bemühens verstetigten, wurde ausgerechnet
die Triebfeder für diese Errungenschaften - nämlich die christliche
Ethik - als Hindernis angesehen, um den Fortschritt der Völker noch
weiter voranzubringen.
Die Männer-Hierarchie der Kirche - Die Rolle als Bösewicht
in der Geschichte der Geschlechterrollen hat die Kirche auch deshalb, weil
sie (nach wie vor) an einer offensichtlichen Ungerechtigkeit und Benachteiligung
der Frauen festhält: dem Verbot für Frauen, zum Diakon, Priester
und Bischof geweiht zu werden. Die Hierarchie der katholischen Kirche ist
dadurch fest in Männerhand.
In anderen Katechesen haben wir diese Frage angesprochen und zu klären
versucht. Ob die Weigerung der katholischen Kirche, Frauen zum Weiheamt
zuzulassen, tatsächlich eine Diskriminierung ist, lässt sich nur
diskutieren, wenn wir uns zuvor über das Wesen von Amt und Hierarchie
verständigen. Halten wir an dieser Stelle fest: So wie es im Sport
oder in der körperlichen Leistungsbewertung eine Berücksichtigung
der Unterschiede zwischen Mann und Frau geben muss, um eben keine Ungerechtigkeit
aufkommen zu lassen, so sieht die Kirche in einer Klerikalisierung der Frau
eher eine Gefahr für das ihr eigene Wesen. Zugegeben: Der schlechte
Eindruck ist durch theologische Diskussionen nur schwer zu revidieren.
Sehr leicht lässt sich dieser Eindruck aber aus dem Weg räumen,
wenn wir den Blick auf die möglichen Aufgaben der Frau in der Kirche
in unserer Zeit schauen - und noch viel mehr, wenn wir auf die historischen
Bemühungen der Kirche schauen, die Rechte der Frauen zu schützen
und durchzusetzen - gegen die Bemühungen der vorchristlichen Gesellschaften
und Kulturen, der Frau eine mindere Bedeutung zuzuweisen. Ein paar Stichworte
mögen als Belege genügen: Die Macht der Frauenorden, Äbtissinnen,
große weibliche Heilige, die Beginenhöfe und vor allem die Wahrung
der Rechte einer Frau bei der Eheschließung.
Gleiche Würde - verschiedenes Wesen - Der größte
Unterschied zwischen der Auffassung der Kirche und der woken Ideologie
liegt allerdings darin, dass die Kirche in Mann und Frau immer schon ein
unterschiedliches Wesen erkannt hat. Dieses Wesen betrifft nicht
nur biologische Unterschiede oder evolutionäres Fortpflanzungs- und
Brutpflegeverhalten; es wird nicht erst durch kulturelle Rollenzuschreibungen
geschaffen und durch Erziehung weitergegeben. Mann und Frau sind in ihrem
Beziehungspotential aufeinander so zugeordnet, dass sie sich in ihrer Unterschiedlichkeit
ergänzen. Beiden kommen gleiche Würde und gleiche Menschenrechte
zu; die geschlechtliche Polarität führt allerdings auch zu unterschiedlichen
Sicht- und Denkweisen, anderen Handlungsstrategien, Wahrnehmungsverschiebungen
und zahlreichen weiteren Geschlechterdifferenzen. Diese müssen respektiert
werden!
Entgegen den Analysen der CRT (dazu am Ende der Katechese mehr!) hält
die Kirche entschieden daran fest, dass nicht jede Unterschiedlichkeit schon
eine Diskriminierung bedeutet; ganz im Gegenteil: Weil Mann und Frau verschieden
sind, denken und empfinden, gebietet es der Respekt vor der Geschlechterdifferenz,
diese Verschiedenheit auch mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Absicherungen
zu schützen. Dass Männer und Frauen in bestimmten Berufen zahlenmäßig
unterschiedlich repräsentiert sind, kann auch auf Vorlieben und unterschiedliche
Interessen zurückgeführt werden. Das gleiche gilt auch für
die Bewerbung auf Führungspositionen, Leitungen von Firmen oder den
Bemühungen, Schachgroßmeister zu werden. Der Zugang muss beiden
Geschlechtern offenstehen; dass dann aber die Wahl der Geschlechter sehr
unterschiedlich ausfällt, ist nicht unbedingt ein Zeichen von Diskriminierung.
Benachteiligungen entstehen vor allem dann, wenn aus einer Gleichberechtigung
der Geschlechter eine Gleichmachung wird.
Fazit - Während wir in Bezug auf den Rassismus mit der woken Bewegung im Grundsatz übereinstimmen, aber in der Analyse der Auswirkungen oft weit auseinander liegen, dürfte das Bild in Bezug auf den Feminismus / Sexismus umgekehrt aussehen: Die Sichtweise der Kirche, dass Mann und Frau unterschiedlich sind (bishin in ihr seelisches Sein!), unterschiedliche Entscheidungen zu ihrer beruflichen Entwicklung und gesellschaftlichen Position treffen und daher auch rechtlich unterschiedlich geschützte Räume bedürfen, dürfte mit der Ansicht weiter Teile der modernen Gesellschaft nicht zusammenpassen.
Über die Frage, in welcher Hinsicht die natürliche Geschlechterdifferenz zu schützen ist, könnte man sich dagegen (vielleicht) sogar mit strengen Feministinnen einigen. Dass die Auswirkungen der Unterschiede nicht zu einer unterschiedlichen Würde und Herabsetzung weder des Mannes noch der Frau führen dürfen, ist hoffentlich allgemeiner Konsens auch unserer Zeit - war immer Überzeugung der Kirche - und bedarf doch ständiger Diskussion. Wir Christen sind gerne dazu bereit.
Eine bleibende Irritation durch die an das Geschlecht gebundene Weihe von Priestern (Bischöfen und Diakonen) darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kirche über Jahrhunderte hinweg Anwältin der Gleichberechtigung der Frauen gewesen ist.
Noch einmal anders stellt sich die Haltung der Kirche zur Diskriminierung von Transpersonen dar - aber ähnlich zur Frage nach der Homosexualität und der Homophobie.
Die katholische Kirche bekennt sich uneingeschränkt zur Achtung der Würde aller Menschen; sie schließt sich zum Beispiel der Formulierung im 3. Artikel der deutschen Verfassung an, in der es heißt:
«Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.»
Das gilt auch für Transpersonen oder homosexuell empfindende Menschen: Ihre Würde ist unantastbar, sie sind wie alle Menschen Ebenbilder Gottes und haben damit eine unverlierbare, ewige Würde.
Aber - ja, es kommt ein aber! - wie auch für alle Menschen gilt, dass diese Würde und die Ebenbildlichkeit Gottes nicht bedeutet, dass alles, was Menschen tun, wollen, denken oder empfinden deshalb uneingeschränkt zu akzeptieren ist. Was für alle Menschen gilt, trifft auch für Transpersonen oder Homosexuelle zu: Die Erkenntnis, was gut und was schlecht ist, setzt allen Menschen ethische Grenzen.
In weiten Teilen stimmt die Ansicht der Kirche über das Gute und das moralisch Schlechte mit der deutschen und auch der westlichen Gesetzgebung überein. Das darf nicht verwundern, immerhin sind die modernen Staaten zum größten Teil im christlichen Abendland entstanden. Allerdings führte die gesellschaftliche Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zu einigen Differenzen in der moralischen Bewertung, die sogar Gesetze hervorbrachte, die von der kirchlichen Lehre abweichen. Das gilt zum Beispiel in Fragen des Lebensrechtes (Abtreibung, Euthanasie, assistierter Suizid, Embryonenforschung usw.), der Anthropologie (Was ist der Mensch? Ab wann beginnt das Menschsein? Wann endet es?) und der Sexualmoral.
Aber selbst die Sexualmoral der Kirche hängt nicht im luftleeren Raum - sie ist keineswegs eine willkürliche Erfindung der Kirche, keine rein religiös verankerte Lehre oder eine Tradition um der Tradition willen. Sie hat ihren Grund im Naturrecht, ebenso wie das Lebensrecht und die Anthropologie.
Zur Anthropologie des Menschen gehört die Erkenntnis, dass die Polarität von Mann und Frau keine rein biologische Entwicklung ist, die nur eine Funktion im Hinblick auf die Fortpflanzung erfüllt. Sie ist ein grundlegendes Wesen des Menschen. Der Mensch ist ein Beziehungswesen und findet nur darin sein Glück; in der Polarität der Geschlechter ist die menschliche Ergänzungsbedürftigkeit dem Menschen eingeschrieben worden. Wie immer ich die Anthropologie des Menschen auch weiter entfalte: Grundlage der Moral nicht nur der Kirche ist die Erkenntnis, dass der Mensch als Mann und Frau geschaffen wurde und sein Menschsein in der Annahme und Gestaltung seiner Geschlechtlichkeit verwirklicht.
Oder, um es präzise aber auch provokant auf den Punkt zu bringen: Der Mensch ist nur Mensch als Mann oder als Frau. Ein Mann bleibt Mann, eine Frau bleibt Frau.
Davon gibt es keine Ausnahme, selbst wenn das biologische Geschlecht nicht klar zu bestimmen ist (was weit über die Frage nach den Chromosomen hinausgeht). Diese Fälle sind selten; nicht desto trotz haben diese Menschen nicht etwa ein drittes Geschlecht, sondern unterschiedliche Anteile von beiden Geschlechtern. (Siehe dazu das umfassende, aber auch neutrale Buch "Adams Apfel und Evas Erbe" von Axel Meyer, einem Evolutionsbiologen, aus dem Jahr 2015.) Es bleibt jedem überlassen, welche Anteile sie wie annehmen und verwirklichen.
Jeder kann sich kleiden, schminken, frisieren wie er/sie es will. Jeder kann sich gerne neue Namen geben, wie er es möchte. Aber Mann bleibt Mann und Frau bleibt Frau. Deshalb bleiben Normen, die an die Geschlechter des Menschen gebunden sind, auch dann gültig, wenn ein Mensch sich nicht geschlechterkonform verhält. Eine Ehe ist immer nur eine Verbindung zwischen Mann und Frau; für Frauen reservierte Bereiche (Frauenhäuser, Frauengefängnisse und Frauenumkleiden - etc.) sind für Männer tabu. Dabei spielt es keine Rolle, welchen Namen sich der Mann gegeben hat oder welche Kleidung er trägt.
Das ist keine Diskriminierung, da niemandem Rechte genommen oder verweigert werden. Denn ein Recht kann nur dem genommen oder verweigert werden, dem es naturgemäß zukommt. Man kann die Anthropologie der Kirche kritisieren, diskutieren oder auch ablehnen. Sie aber als Diskriminierung zu bezeichnen, ist unzulässig; denn das setzt voraus, dass die Kirche Recht bricht - und nicht etwa eine andere Rechtsauffassung hat.
Transphobie - Deshalb ist auch der Begriff der «Transphobie»
oder auch der «Homophobie» unzutreffend, wenn nicht sogar selbst
diskriminierend. Eine Phobie ist eine irrationale Angst, die keinen wirklichen
Grund in der Realität hat [so zum Beispiel die Klaustrophobie (Angst
vor engen Räumen), Arachnaphobie (Angst vor Spinnen) oder die Triskaidekaphobie
(Angst vor der Zahl 13)]. Die katholische Kirche hat aber keine Angst vor
Transpersonen (oder Homosexuellen), schon gar keine irrationale Angst.
Sie lehnt die Selbstidentifikation einer Person mit dem anderen Geschlecht
lediglich als unzutreffend ab - und hat dafür gute, zumindest rationale
Argumente.
Wer Personen, die in dieser Hinsicht mit der Lehre der Kirche konform gehen,
als «homophob» oder «transphob» bezeichnet, setzt
diese also herab, unterstellt ihnen mangelnde Rationalität und schließt
sie zumeist vom Diskurs aus. Das erfüllt jede Definition von «Diskriminierung».
Bekleidung - Es ist eine alte Tradition, dass Männer und Frauen
unterschiedliche Kleidung tragen; ebenso geschlechterspezifische Frisuren
und andere äußerliche Gestaltungen. Diese sind tatsächlich
kulturell definiert und keineswegs ewig und unveränderlich. (So kennen
wir die Schottenröcke, die Perücken des Barocks und die Haartracht
der Naturvölker). Menschen sind also grundsätzlich frei in der
Wahl ihres äußerlichen Erscheinungsbildes, wenn sie sich nicht
an gesellschaftliche Konventionen halten wollen.
Allerdings erfüllen die geschlechtsspezifischen Äußerlichkeiten
auch gesellschaftliche Funktionen, die es sinnvoll erscheinen lassen, sich
nicht darüber hinweg zu setzen. Das ist aber keine Diskussion, die
ich hier führen möchte. Mit einer Ausnahme:
Badebekleidung - In einigen deutschen Schwimmbädern wurde in den vergangenen Jahren die Anordnung, geschlechterspezifische Badebekleidung zu tragen, als diskriminierend verstanden und auch für Frauen nur die Badehose verpflichtend gemacht. Falls die Badebekleidung nur ein kulturbedingtes Phänomen wäre, könnte man dagegen (zumindest kirchlicherseits) nichts einwenden. Allerdings ist die Frage, was dem Mann als sexuell attraktiv erscheint und deshalb besser bedeckt werden solle, nicht allein durch Konventionen bestimmt. Es gibt (wie überall in der sexuellen Natur) Signale, die zur sexuellen Aktivität reizen. Dabei handelt es sich nicht um willentliche Sprache, sondern um biologische Mechanismen. Dazu gehört biologisch verankert auch der bloße Oberkörper der Frau. Deshalb würde eine kirchliche Moral der neuen Bekleidungsverordnung in diesem Sinne nicht zustimmen.
Die kirchliche Moral ist auf den Grundlagen des Naturrechts aufgebaut; das Naturrecht wiederum ist die unveränderliche Grundlage aller Rechtssysteme dieser Welt (und explizit des römischen Rechts, auf dem das europäische und schließlich westliche Staatswesen aufbaut). Entsprechend der Erkenntnis, dass der Mensch in den ihm vorgegebenen Kategorien von Mann und Frau existiert, hält die christliche Moral (wie auch viele andere Rechtssysteme der nichtchristlichen Welt) an der Unveränderlichkeit der Geschlechter fest.
Damit einher geht die Erkenntnis, dass es sich in dieser Einschätzung und den sich daran anschließenden natürlichen Rechten und Pflichten von Mann und Frau nicht um eine Diskriminierung handelt.
Aus dieser anthropologischen Herleitung dürfen aber keine weiteren Herabsetzungen von Männern und Frauen abgeleitet werden, die sich in ihrem Verhalten und in ihrer Erscheinung nicht an traditionelle und kulturbedingte Vorgaben halten und geschlechtliche Rollenbilder überschreiten. Sich gegen solche Animositäten auszusprechen, ist Aufgabe aller Christen.
Auch die Frage nach der Homosexualität ist ähnlich zu beantworten wie im vorangegangenen Abschnitt zur Transgenderproblematik. Die zugrundeliegenden Erkenntnisse sind dabei miteinander verbunden:
Wenn wir in der Transgender-Frage daran festhalten, dass das biologische Geschlecht die ganze Person betrifft und nicht änderbar ist, ergänzt die Kirche: «Und eine Ehe besteht nur zwischen einem Mann und einer Frau.» Auch das ist keine Entscheidung aufgrund einer innerkirchlichen Tradition, sondern eine Erkenntnis, die die biologischen Gegebenheiten, die geschlechtliche Polarität, die Beziehungs- ebene und damit die ganzheitliche Wahrnehmung des Menschen in den Blick nimmt.
Hinzu kommt noch die - ebenfalls naturrechtlich begründbare - Erkenntnis, dass eine Ehe durch den einvernehmlichen Geschlechtsverkehr begründet wird. Deshalb sind explizit sexuellen Handlungen auf die Ehe beschränkt. «Sex gibt's nur in der Ehe!» nennt man das in kirchenfernen Kreisen.
Damit sind explizit sexuelle Beziehungen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern nicht durch das Naturrecht gedeckt und werden von der Kirche abgelehnt. Das bedeutet wiederum (siehe oben unter Transgender) nicht, dass diese Beziehungen diskriminiert werden. Und das bedeutet gleichzeitig nicht, dass homosexuell empfindende Menschen schon allein aufgrund dieser Neigung benachteiligt werden dürfen. Ganz im Gegenteil.
Jeder kann mit all den Menschen in die Beziehungen treten, mit denen er/sie es gerne möchte. Männer können mit Männern Vereine gründen, Frauen unter sich Wohngemeinschaften pflegen. Freundschaften in jeder Hinsicht sind schützenswert und oft die Grundlage aller anderen Beziehungen. Und zu jeder Beziehung gehört auch eine körperliche Nähe und ein angemessener körperlicher Ausdruck, der das Vertrauen zwischen den Personen sichtbar werden lässt und vertieft.
Der Geschlechtsverkehr ist allerdings der Ehe vorbehalten; weil der Geschlechtsverkehr naturrechtlich eine Ehe begründet. Eine Ehe existiert allerdings nur zwischen Mann und Frau.
Es ist gut, dass eine Gesellschaft sich selbst und den in ihr wirkenden Mechanismen gegenüber aufmerksam ist; vor allem aber den Menschen gegenüber empathisch und achtsam für das, was verletzend ist. Mag man diese Haltung «woke» nennen oder anders - das spielt keine Rolle.
Gefährlich wird es immer dann, wenn eine Gesellschaft und eine Politik mehr möchte, als nur das Zusammenleben zu regeln. Eingriffe in die Gesinnung, die Persönlichkeit, Verhaltensmanipulation und eine Gerichtsbarkeit außerhalb der Gewaltenteilung ist immer gefährlich. Auch diese hat es immer schon gegeben, und sie hat viel Leid verursacht. Bleiben wir dafür aufmerksam.
Vor allem aber üben wir uns in der ethischen Urteilsbildung - und hier vor allem in der Wiederbelebung des naturrechtlichen Denkens. Denn ohne ethische Grundlage ist jede Meinungsverschiedenheit verdächtig, jedes abweichende Verhalten diskriminierend und jede Kritik verletzend.
Eine Gesellschaft, die nicht mehr miteinander diskutiert, argumentiert und sich rational mit abweichenden Ansichten auseinandersetzt, ist auf den besten Weg in eine Dystopie (einer grauenhaften Zukunftsvision). Mag sie sich noch so woke gebärden.
Scheinbar ist die Wokeness-Bewegung eine natürliche gesellschaftliche Reaktion auf Ungerechtigkeit, Diskriminierung, Rassismus und Ausgrenzung. Das mag auch in vielen Bereichen der Fall sein - und dennoch gibt es einen ideologischen Hintergrund, der vielen unbekannt ist.
«Rasse» - Im Deutschen ist der Begriff Rasse für
unterschiedliche Ethnien nicht mehr üblich, ja unter Umständen
selbst schon diskriminierend. Denn es gibt keine biologische oder naturwissenschaftliche
Grundlage für das, was wir unter «Rasse» verstehen.
In der Biologie ist von Reich, Stamm, Klasse, Ordnung, Familie, Gattung und
Art die Rede - der Begriff «Rasse» taucht dort nicht auf.
Lediglich Haus- und Nutztiere werden in Rassen eingeteilt, die sich nicht
aufgrund natürlicher Entwicklung, sondern durch freie Gruppierung von
Merkmalen unterscheiden. Diese Merkmale (wie z. B. Farbe, Größe,
Länge der Haare, Widerstandsfähigkeit, Leistungsfähigkeit usw.)
sind je nach Züchterwillen erwünscht oder unerwünscht. - Ein
solcher Begriff, auf den Menschen angewandt, wird im Deutschen zurecht abgelehnt.
Es gibt keine menschlichen Rassen, die fest verbundene Merkmalgruppen zwischen
den Völkern (Ethnien) hervorbringen.
Im Amerikanischen ist dagegen der Gebrauch von Rasse (Race) auch in
Bezug auf menschliche Ethnien noch üblich, weil er nicht allein biologisch,
sondern auch gesellschaftlich verstanden wird. Wenn im folgenden Abschnitt
mehrfach das Wort Rasse auftaucht, dann nur deshalb, weil der Text
sich auf amerikanische Autoren bezieht.
«Rassismus» - Wenn im Folgenden das Wort Rassismus verwendet wird, dann ist damit gemeint, dass zu Unrecht aufgrund von äußerlichen Merkmalen auf eine Rasse (s.o.) geschlossen wird und dadurch eine Benachteiligung gerechtfertigt werden soll.
Die Kritische Rassentheorie (Critical Race Theory, kurz: CRT) wurde von amerikanische Rechtstheoretikern in den 90er Jahren entworfen, vor allem von Alan Freeman, Kimberlé Crenshaw und Derrick Bell. In den letzten Jahren erschienen Bestseller, die diese Idee populär machten:
So zum Beispiel Robin Di Angelo (White Fragility, 2018) und Ibram X. Kendi (How to be an Antiracist, 2019); vor allem aber auch Critical Race Theory: An Introduction von Richard Delgado und Jean Stefancic, 2017. Alle diese Werke sind bislang nicht auf deutsch erschienen.
Eine Übersicht über die zahlreichen Artikel und Veröffentlichungen, die zur Entstehung der CRT führten, finden sich in Critical Race Theory: The Key Writings von Kimberlé Crenshaw et. al., 1995.
Zwar beschäftigen sich die Autoren der CRT zuerst mit dem amerikanischen Rassismus. Richard Delgado und Jean Stefancic betonen jedoch, dass die Erkenntnisse der CRT ebenso gültig sind für den Kampf gegen Sexismus, Klassismus, Homophobie und Transphobie. (Delgado, CRT, S. 58-59). K. Crenshaw hat dazu den Begriff der Intersektionalität eingeführt. Dazu im Folgenden mehr.
Rassismus ist überall - Die grundlegende Behauptung der CRT ist, dass der Rassismus alle Ecken und Winkel jeder soziale Institution und die Psyche des Einzelnen vollkommen durchdringe. Insbesondere stecke er in jedem einzelnen (!) Weißen. Aber er infiziere auch alle nicht-weißen Menschen, da diese das Denken der Weißen, die rassistischen Annahmen und Vorurteile über sich selbst übernommen und deren Unterdrückung akzeptiert haben.
Dieser allgegenwärtige Rassismus manifestiert sich in jeder (!) Ungleichheit oder Ungerechtigkeit zwischen Weißen und Farbigen.
Wohlgemerkt: Eine Ungleichberechtigung wäre Rassismus. Aber wenn zum Beispiel die Farbigen eines Landes 10 % der Bevölkerung stellen, aber nicht zugleich 10 % der Ärzte in diesem Land, ist das - wie die CRT-Autoren behaupten - auch immer eine Manifestation von Rassismus?
Wer anderes behauptet, ist ein Rassist - DiAngelo ist der Ansicht, dass jede andere Erklärung der Ungleichheit zwischen den Ethnien, z. B. aufgrund von sozialen und kulturellen Unterschieden, selbst wieder Rassismus sei. «Antirassistisch zu sein», so Kendi, «bedeutet, die Ungleichheiten zwischen allen rassifizierten ethnischen Gruppen als ein Problem der Politik zu betrachten» und nicht als ein Problem kultureller Werte, Verhaltensweisen oder anderer Faktoren.
Mikro-Aggressionen - Nach Ansicht der CRT-Theoretiker drückt sich der latent überall vorhandene Rassismus durch «Mikro-Aggressionen», «implizite Vorurteile» und «kleine rassistische Handlungen» aus. Der angebliche Rassismus sei so subtil, dass er oft nicht bemerkt würde, wenn wir nicht mithilfe der CRT unsere antirassistischen Augen dafür öffnen. Der Rassismus «existiere unter der Oberfläche des Bewusstseins« selbst dann, wenn sich Weiße dagegen aussprechen. Denn «der Rassismus existiert selbst im Widerspruch zu den bewusst vorgetragenen Überzeugungen zu Rassengleichheit und Gerechtigkeit». Die CRT sieht nun ihre Aufgabe darin, diese Mikro-Aggressionen, implizite Vorurteile und andere verborgene Manifestationen des weißen Rassismus aufzuspüren, bloßzulegen und anzuprangern.
Die Quelle des Rassismus ist das «Weißsein» - Die bösartige Quelle des Rassismus sei das «Weißsein», eine Eigenschaft der Euro-Amerikaner und Kaukasier, die diese nicht ablegen könnten. «Weißsein», so Di Angelo, ist so durch und durch bösartig, «dass Anti-Schwarzsein für unsere Identität als Weiße grundlegend ist.» Ja, die CRT geht sogar so weit, dass für das Schuldigsein einer Person nicht mehr ihre individuelle Handlung entscheidend ist. Alan Freeman meint, dass diese Reduzierung von Schuld auf eine bestimmte Handlung die Täterperspektive widerspiegele. Wichtig wäre dagegen, die Opferperspektive anzunehmen, die sich einfach auf den Zustand von benachteiligten Minderheitengruppen konzentriere und nicht auf deren Ursache. Crenshaw besteht darauf, dass von Minderheiten erlittenes Unglück als «Muster der Unterordnung» verstanden werden müsse - unabhängig, ob es absichtlich erzeugt wurde oder nicht.
Gute Diskriminierung und schlechte Diskriminierung - Die in der Einleitung erwähnte Gefahr, dass die Wokeness-Bewegung zu neuen Diskriminierungen führt, weil sie ohne Rechtsprechung vermutete Wokeness-Verletzungen sanktioniert, ist für Kendi sogar Programm: «Rassendiskrimierung ist nicht von Natur aus rassistisch». Weiter schreibt er:
«Das einzige Mittel gegen rassistische Diskrimierung ist antirassistische Diskriminierung. Das einzige Mittel gegen die Diskriminierung in der Vergangenheit ist die Diskriminierung in der Gegenwart. Das einzige Mittel gegen die gegenwärtige Diskriminierung ist die zukünftige Diskriminierung.»
CRT als Modell für alle Ungleichheiten - Rassismus ist nicht das einzige, dass nach Meinung der CRT-Autoren radikal ausgerottet werden muss. K. Crenshaw hat dazu den Begriff der «Intersektionalität» eingeführt. «Intersektionalität beschreibt die Überschneidung und Gleichzeitigkeit verschiedener Formen von Diskriminierung gegenüber einer Person in der gesellschaftlichen Realität.» (wikipedia) Die CRT ist somit Grundlage für auch für den Kampf gegen Sexismus, Homophobie, Transphobie, Klassismus und Nationalismus. In all diesen Fällen müssen Ungleichheiten, Mikro-Aggressionen, implizite Vorurteile usw. durch die CRT aufgespürt und bekämpft werden.
Die Quellenbelege der Zitate im obigen Abschnitt finden sich in «Alles in Christus» von Edward Feser, Neuenkirche-Seelscheid, 2022.