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KARL-LEISNER-JUGEND |
C.S. Lewis - Zur Person
|
Vor fast genau fünfzig Jahren hat C. S. Lewis die Narnia-Chroniken
beendet, aber noch heute gehen jährlich sechs Millionen
Bücher aus seiner Feder über den Ladentisch. 85
Millionen Bücher von ihm wurden bislang verkauft, in
29 Sprachen übersetzt. Die Narnia-Chroniken machen einen
großen Teil davon aus. Während sie in Deutschland
erst in den letzten Jahren angekommen sind, hat im englischsprachigen
Raum seit drei Generationen jedes Kind vom Löwen Aslan,
der Weißen Hexe und der Errettung Narnias gehört.
Mit dem Kinofilm dürfte sich die Situation nun auch in
Deutschland ändern.
Joanne K. Rowling knüpft mit ihrer Harry Potter Serie
bewußt an die englische Tradition des Fantasy-Romans
an, wie sie C.S. Lewis weitergeführt hat. Sein Freund
J.R.R. Tolkien hielt nicht viel von dieser Art von Fantasy.
(Zum Vergleich mit dem Herrn der Ringe und Harry Potter gibt
es in dem Kapitel über die Narnia-Chroniken mehr. Hier
gebe ich nur ein paar Hinweise auf die Verbindung zwischen
Leben und Werk von C.S. Lewis.)
Es gibt aber auch noch die Science-fiction-Romane und seine
Gedichte aus der frühen Zeit, von denen ich vermute,
daß sie an vorletzter Stelle stehen, was die Popularität
angeht.
Die letzte Stelle belegen die Bücher und Artikel, die
er, Fachmann für Englische Literatur der er war, für
andere Leute vom Fach geschrieben hat. Mit seinem Buch "Allegory
of Love" (1935) hat er allerdings in diesem Gebiet seinen
ersten Ruhm erworben. Man kannte ihn nun als ernstzunehmende
Stimme aus Oxford.
Die Möglichkeit, Schriften über Gott und die Welt
zu veröffentlichen, hat er wahrscheinlich erst durch
seine Arbeiten als Literaturwissenschaftler gewonnen. Von
1939 (Veröffentlichung von "The Problem of Pain")
bis 1950 lernten ihn sehr viele angelsächsische Zeitgenossen
vor allem als den Mann kennen, der wie kein zweiter die wirklich
wichtigen, aber leider oft schwierigen Probleme der Philosophie
und Theologie erörtern kann; und zwar in so einfacher
Sprache und mit so passenden Bildern und Vergleichen, daß
jeder Mensch guten Willens einen Zugang findet und Hilfe erfährt.
Radiovorträge in den Kriegsjahren machten ihn beiden
Seiten des Atlantik zu einem Star, der auch auf der Titelseite
von Time-Magazine zu sehen war.
Der einzige Nachteil, war, daß ihn von da an seine geschätzten
Fachkollegen in Oxford nicht mehr für würdig hielten,
Professor bei ihnen zu werden. Die Universität Cambridge,
zu der er sonst nie gewechselt hätte, nutzte die Chance,
ihm einen für ihn maßgeschneiderten Lehrstuhl anzubieten,
den er schließlich annahm, um mehr Zeit zum Schreiben
zu haben.
Trotzdem - wie er neben seinen vielen anderen Verpflichtungen
und Büchern auch noch die Unmenge von Leserbriefen beantworten
konnte, ist mir ein - Gewissensprobleme aufwerfendes - Rätsel.
Aber der Mann selbst, wollte kein Rätsel sein. Zwei autobiographische
Schriften, frei von aller Mystifizierung (oder gar Glorifizierung)
seiner Person, und eine große Zahl von Freunden, die
immer gerne von seinem geselligen Wesen berichtet haben, vermitteln
einen ziemlich guten Eindruck, was ihn bewegt hat, oder besser,
wer ihn bewegt hat, das Leben zu leben und die Bücher
zu schreiben, die wir von ihm haben. Das Problem ist die Auswahl
für eine kurze Einführung.
Hier mein Versuch:
Er war das zweite und letzte Kind von Albert und Flora Lewis und wurde am am 29. November 1898, also vor 107 Jahren geboren. Seine Eltern waren praktizierende Christen und ließen ihren Sohn auf den Namen Clive Staples taufen. Deutsche haben manchmal Schwierigkeiten, diesen Namen auszusprechen. Vielleicht ging es den Eltern genauso. Auf jeden Fall haben alle Verwandte und Freunde ihn immer nur "Jack" genannt. So wollte er selbst auch genannt werden.
Er und sein drei Jahre älterer Bruder Warren, auch Warnie
genannt, lebten ab seinem siebten Lebensjahr glücklich
in dem schönen Landhaus der Familie, Little Lea, in der
Nähe von Belfast. Der Vater arbeitete als Rechtsanwalt
in der Stadt. In der Nachbarschaft wohnten Onkel und Tante
mit ihren schönen Töchtern. Eine davon schien Jack
Lewis zeit seines Lebens die schönste Frau zu sein, die
er je gesehen hat. Beide Eltern, unterstützt von verschiedenen
Haushilfen, konnten ihren Leidenschaften nachgehen: Lesen,
Erzählen und Musik. Das ganze Haus war vollgepackt mit
Büchern und verbotene Schränke gab es nicht. Was
gedruckt war, durfte gelesen werden.
Das große Landhaus in "Der König von Narnia"
ist auch eine Erinnerung an Little Lea mit seinen vielen Winkeln
und Gängen und an die schönen Lebensgewohnheiten
seiner Bewohner.
So verbrachten auch die Brüder Warnie und Jack, sobald
sie lesen konnten, ihre früheste Kindheit mit Lesen,
Geschichtenerfinden und Malen bzw. Schreiben derselben, wenn
es gerade regnete. Und da es in Irland dauernd regnet, können
wir davon ausgehen, daß sie viel Zeit damit zubrachten.
Schon in den ersten bebilderten Schriften der Lewis-Brothers,
tauchen übrigens sprechende Tiere auf, weil sie allgemein
üblich waren in Kinderbüchern - wie z.B. auch bei
Lewis Caroll und Beatrix Potter (z.B. "Squirrel Nutkin").
Und noch eine Ähnlichkeit mit den Kindern im ersten der
Narnia-Bände gibt es: In die Schule gehen brauchten sie
nicht. Die einen, weil sie gerade evakuiert sind aus dem zerbombten
London, die andern, weil sie die Grundlagen zuhause lernten,
bevor es auf die weitergehende Schule ging. Einen großen
Teil ihrer Zeit verbrachten sie in der freien Landschaft mit
dem, was Jungs da eben so tun....
Den ersten Blick auf paradiesische Schönheit hat Warren
seinem Bruder vermittelt: er bastelte eine Mini-Gartenlandschaft
und zeigte sie dem kleineren Bruder, der wie vom Blitz getroffen
wurde von der Herrlichkeit, die ihm da begegnete. Der Anlaß
stand in keinem Verhältnis zur Wirkung. Später im
Leben hat er sich daran erinnert und dies gerade deshalb als
ein typisches Beispiel für die überwältigende
Freude aus geheimnisvollem Ursprungs genannt.
In Jacks ersten zehn Lebensjahren entwickelte sich eine lebenslange
Freundschaft der beiden Brüder. Nach seiner Zeit beim
Militär zog Warren bei Jack ein. Er war es auch, der
ihn tot fand, auf dem Boden liegend, am Tag als John F. Kennedy
erschossen wurde.
Als C.S. Lewis 10 Jahre alt ist, verändert sich plötzlich
die Atmosphäre im Elternhaus. Alle sprechen leise, seine
Mutter ist nicht mehr zu sehen, Ärzte und Krankenschwestern
gehen ein und aus. Er weiß, daß es ernst ist,
betet mit aller Kraft seines kindlichen Gemüts und -
wird enttäuscht: Die Mutter stirbt.
Zurück bleibt ein gebrochener Mann, der Vater, der nicht
weiß, wie er mit den beiden Söhnen richtig umgehen,
oder gar mit ihnen Freundschaft schließen kann. Zurück
bleiben die Söhne, die sich um so enger aneinander binden,
je verständnisloser der Vater wird, der auch ziemlich
unverständlich handelt.
C.S. Lewis also weiß, worüber er schreibt, wenn
Digory in "Das Wunder von Narnia" um das Leben seiner
Mutter bangt.
Mit zehn Jahren beginnt der Leidensweg des C.S. Lewis fern
der Heimat in englischen "public schools", Internaten.
Wynyard, die erste Schule, war die Hölle, geleitet von
einem sadistischen Schulmeister. Selbst heftigste Bitten konnten
Vater Lewis nicht überzeugen, seinen Sohn aus ihr zu
befreien. "Bloß keine Verweichlichung", mag
er gedacht haben, oder "Da mußten wir alle einmal
durch!". Zu Jacks großem Glück wurde die Schule
geschlossen, weil sich nicht genug Eltern fanden, die ihre
Kinder dorthin schicken wollten.
Cherbourg, das zweite Internat, brachte Jack vom Glauben an
einen Gott ab, dafür aber auf den Geschmack von Zigaretten.
Alles, was damals "in" war, lernte er kennen: Schallplatten,
besonders Wagner-Opern, und das "Nordische" gehörten
dazu. Nordische Sagen und Göttergeschichten verschlang
er, schrieb Gedichte und die Texte einer Oper über den
Gott Loki. Hatte er in Wynyard wenigstens noch Geometrie gelernt,
verwilderte seine Bildung und seine Moral hier stetig.
Die dritte Schule wurde Malvern. Auch diese Schule hat er
aus ganzem Herzen gehaßt, aber immerhin hat er dort
viel gelernt. Die Hauptsache scheint jedoch die Erziehung
zum Snob gewesen zu sein: Verhalte Dich so, daß du allen
jederzeit das Gefühl vermittelst, welchen gesellschaftlichen
oder bildungsmäßigen Rang Du selbst (über
ihnen) einnimmst.
Aus der Erfahrung mit Wynyard belehrt, brachte er seinen Vater
jetzt mit einer Selbstmorddrohung zum Einlenken und durfte
das Internat verlassen.
Spätestens in dieser Zeit wurde Schreiben für Jack
lebenswichtig. Aus der Zeit in den "public schools"
datiert auch sein ältester und längster Briefwechsel
mit einem Freund. Denn jetzt konnte er die Beziehungen, die
ihm wichtig waren, nur mit Briefen am Leben halten. Über
vierzig Jahre hat er z.B. mit Arthur Greeves Briefe gewechselt.
Warum sein Bruder Warren es in den Schulen ausgehalten hat,
Clive Staples aber nicht? Wahrscheinlich ist das eine Frage
des Charakters und des Zufalls, ob man geeignete Klassenkameraden
hat, die zu Freunden werden können. Warren ist schließlich
später auch Soldat geworden und geblieben.
Man braucht also keine tiefenpsychologischen Verrenkungen
anzustellen oder verkaufstechnische Hinterlist vermuten, um
sagen zu können, warum die Schule in den Narnia-Chroniken
immer mal wieder einen Seitenhieb erhält - mit Augenzwinkern.
Soviel sich Joanne K. Rowling auch von ihm inspirieren ließ,
die Harry Potter Bücher hätte C.S. Lewis nie schreiben
können, wenn das Internat die eigentliche Heimat des
Helden sein sollte.
Nach einiger Zeit der Ratlosigkeit, die sein Sohn in der
irischen Heimat genießen konnte, kam Vater Lewis auf
den rettenden Gedanken: Privatunterricht zur Vorbereitung
auf die Universitätsprüfungen bei einem Lehrer,
den er selbst gemocht hatte.
So verbrachte C. S. Lewis die letzten 2 ½ "Schuljahre"
endlich glücklich in Great Bookham, Surrey, bei Vater
Lewis' altem Schulleiter William T. Kirkpatrick, genannt "Kirk"
oder "Great Knock". Dieser Mann soll "fast
nur aus reiner Logik" bestanden haben.
Der alte Professor Kirk in "Der König von Narnia"
ist zwar kein Abbild von Great Knock, aber die Namensgebung
zeigt doch, wie gern Jack sich an ihn erinnerte. Und zumindest
die Nachhilfe in Logik, welche die Kinder erhalten, und das
kopfschüttelnde "Was bringen sie ihnen in den Schulen
heute nur bei!?" könnte von dem ehemaligen Schuldirektor
kommen.
Jack Lewis hatte bei ihm freie Hand alles zu tun, was empfehlenswert
schien, und lernte auch noch Griechisch, Italienisch und Französisch,
um alle Bücher in der Originalsprache lesen zu können.
Deutsch hatte er schon für das "Nordische"
gebraucht.
In Great Knock hat C.S. Lewis seinen ersten Meister gefunden.
Die Hauptaufgabe im Umgang mit diesem kernigen Mann war, keine
Behauptung aufzustellen, die man nicht gut begründen
konnte und logisch korrekt. Alles andere wurde zerfetzt und
flog dem Schüler um die Ohren. Dies war Jacks erste "Schule",
die wirklich fürs Leben war. Später, heißt
es, habe er in den Diskussionen des Socratic Club niemals
den kürzeren (Strang) gezogen, wenn es um konkurrierende
Argumente ging. Außer einmal, vielleicht, und dann soll
es auch noch eine Frau gewesen sein .... Aber davon weiter
unten.
Die Teilnahme am Ersten Weltkrieg hätte Jack Lewis vermeiden
können: Die in Irland Geborenen wurden nicht zwangsverpflichtet.
Merkwürdigerweise tat er jetzt aber, was fast alle taten:
er schrieb sich mit 19 Jahren in die Offizierschule ein, obwohl
er eigentlich in Oxford studieren wollte. Er hatte auch schon
eins der drei sehr begehrten Stipendien für klassische
Literatur gewonnen. Doch Warren war schon mit dem Expeditionscorps
in Frankreich gewesen, die anderen Oxforder Studenten gingen,
also auch Jack.
Zuerst kam die Offiziersausbildung in Oxford. Dort hat er
Paddie Moore kennengelernt und zum Freund gewonnen. Dann ging
es ab an die Front, als Second Lieutenant. Geschrieben hat
er über seine eigenen Erfahrungen nie, obwohl er gerne
Kriegserinnerungen mit Freunden austauschte. Aus den Narnia-Chroniken
und den Schriften seinen Freundes Tolkien sind die Schlachten
aber nicht wegzudenken. Lewis konnte sehr sensibel sein im
Umgang mit Menschen, wie wir u.a. in seinen zahllosen Briefen
lesen und von seinen Freunden erfahren können. Aber ein
verzärteltes Gemüt hatte er nicht und wollte es
auch bei niemandem unterstützen.
Von 1917-18 war er an der Front, unterbrochen nur durch Lazarettzeiten
wegen verschiedener Verwundungen und Grabenfieber. Das Kriegsende
erlebte er mit schwerer Verwundung im Londoner Lazarett. Sein
Vater, obwohl vom Sohn dringend gebeten, trat nicht die Reise
an, um den Kranken zu besuchen. Es kamen aber Janie King Askins
Moore mit ihrer Tochter Maureen, und sie verblieben fortan
in Jacks Leben.
Der Krieg hat das Leben der Brüder Lewis unterschiedlich,
aber nachhaltig geprägt: Warren bleibt bis zur Pensionierung
1932 Offizier, um danach mit seinem Bruder zusammenzuleben
und schöngeistigen Studien, besonders der französischen
Literatur nachzugehen. Jack geht zurück nach Oxford,
um seine Studien fortzusetzen. Als Willkommensgeschenk wird
den Kriegsheimkehrern eine Prüfung erlassen, in der Mathematik
und Naturwissenschaften eine Leistungsstufe einforderten,
die Jack Lewis aufgrund seiner mangelnden Vorbild nicht leicht
hätte erfüllen können. Das war ein Geschenk
des Krieges.
Wie aber verhält es sich mit dem Erbe, das anzutreten
er sich wegen des Krieges verpflichtet fühlte? Der gerade
Zwanzigjährige nimmt ein Versprechen ernst, das er einem
Freund Paddie Moore gegeben hat: für den Fall, daß
einer von beiden an der Front stirbt, wird sich der andere
um die Eltern kümmern. Bei Vater Lewis war eigentlich
alles geregelt. Aber natürlich war es Paddie Moore, der
starb.
Das bedeutet nun, daß Lewis von seinem kleinen Stipendium
auch noch einen Wohnung mieten muß, zusätzlich
zu seinem Zimmer im College, um Mrs. Moore und ihre Tochter
unterzubringen. Mrs. Moore liegt in Scheidung mit ihrem Mann,
der keinen Unterhalt zahlt.
Die Tagebücher, die C.S. Lewis nun auf Geheiß von
Mrs. Moore als täglichen Rechenschaftsbericht geschrieben
und abends vorgelesen hat, geben einen lebendigen Eindruck
von den endlosen Schwierigkeiten, den ständigen Wohnungswechseln
auf der Suche nach einer preiswerteren Unterkunft, den ausländischen
Studenten als Pensionsgästen, Hilfe beim Einkochen, Putzen,
Wäscheaufhängen und Besuch von Theateraufführungen
in reinen Mädchenschulen, befreundeten Familien. Später
kommt noch die zermürbende, Jahre währende Suche
nach einer Anstellung in der Universität hinzu. Während
dieser Zeit die nötigste Hilfe vom Vater, der nicht verstehen
kann, was sein Sohn Jack mit einer 27 Jahre älteren Frau
und ihrer heranwachsenden Tochter zu schaffen hat.
Was hatte er mit ihnen zu schaffen? Viel ist spekuliert worden,
manchmal mit verdorbener Phantasie. Fakt ist, daß die
Freunde und Besucher im Hause Lewis-Moore nie merkwürdig
berührt waren, weil alle Beteiligten völlig normal
miteinander umgingen. Hilfreich war sicherlich, daß
der Student und später der "Fellow" viel Zeit
im College zubrachte, wo der Druck der Hausarbeit nicht so
groß war.
1922, mit 25 Jahren also, hatte er sein Examen in "Klassische
Philosophie" abgelegt, mit Auszeichnung, "honors
examen in Greats" nennen das die Engländer. Trotzdem
war es schwierig, an der Universität eine Stelle zu bekommen,
weil alle Überlebenden aus den vier Kriegsjahrgängen
auf einmal ihre Examina machten und in die wenigen Freien
Stellen drängten. Auf jede freie Stelle hat er sich in
den folgenden Jahren beworben. Aber auch Empfehlungsbriefe
von seinen Professoren halfen nicht, so daß Lewis, dessen
knapp bemessenes Geld nicht für ihn und die Moores reichen
konnte, überlegte, Lehrer zu werden. Sein Vater hatte
versprochen, ihn noch drei Jahre zu unterstützen, wenn
er es selbst könne. Gab aber zu bedenken, daß er
danach mit 28 Jahren "schwer vermittelbar" sein
werde, wenn er bis dahin keine Stelle an der Universität
hätte.
Jack begann also ein neues Studium, diesmal "Englische
Sprache und Literatur". Kaum drei Jahre später hatte
er sein zweites Examen mit Auszeichnung in einem anderen Fach
(damals ziemlich sehr sehr selten in Oxford), seinen Master,
vorzuweisen und wurde eingeladen, an einem Wettbewerb für
ein "fellowship" am Magdalen College teilzunehmen
(Modlin Kollidsch gesprochen). Es war das Fellowship für
Englische Literatur.
Lewis rechnete sich in einem Brief an seinen Vater wenig Chancen
aus, weil viele, die schon länger an der Universität
bekannt waren, sich bewarben, und seine eigenen alten Lehrer
schon anderen ihre Unterstützung gegeben hatten. Denn
sie dachten, er habe Englisch aufgegeben, um in Zukunft nur
noch Philosophie zu betreiben. Schließlich war er ein
"Quereinsteiger" in Englisch.
Er hatte Glück: er gehörte nicht nur zu den Besten,
sondern hatte, was gerade gesucht wurde: ein Philosophie-Examen,
mit dem er aushilfsweise die Studenten auf die philosophischen
Teile der Prüfungen vorbereiten konnte. Denn ein eigener
Tutor für Philosophie fehlte gerade. Nach dem Empfang
des Telegramms "Zum Fellow in Magdalen gewählt.Jack."
kniet Vater Lewis, wie er seinem Tagebuch am 20. Mai 1925
anvertraut, nieder im Zimmer seines Sohnes in Little Lea und
dankt Gott für die Erhörung seiner Gebete. Jack
selbst ist glücklich über eine Lebensstellung (denn
nach den ersten fünf Jahren wiedergewählt zu werden,
war nicht mehr so schwierig), aber mit Gott hat das für
ihn nichts zu tun.
Ein "Oxford Don" ist damals eine wunderbare Einrichtung
und manchmal auch eine ehrfurchtsgebietende Erscheinung gewesen.
Hocherfreulich war für Lewis, daß er nun finanziell
endlich über die Runden kommen konnte: er hatte etwa
sechsmal soviel Geld zur Verfügung wie in den Jahren
zuvor. Große Sprünge machen konnte er immer noch
nicht, aber er hatte eine Lebensstellung. Ein Fellowship war
zwar keine Professur, aber als Fellow eines Colleges hatte
man dort eigene Räume, die Möglichkeit im Speisesaal
zu essen und man gehörte zum Lehrkörper der Universität.
D. h. der Fellow gibt eigene Vorlesungen, je besser, desto
mehr Leute kommen und geben ihm eine Chance auf die nächste
Professur, die frei wird. Er gibt aber, weil das - im Gegensatz
zu den Professoren - seine Hauptaufgabe ist, vor allem Einzelunterricht.
Das sah so aus: Ein Student bekommt einen Tutor zugewiesen,
der ihn auf die Prüfungen vorbereitet, indem er ihm Bücher
zu lesen aufgibt, sie mit ihm bespricht und ihm Aufsatzthemen
stellt, um den fertigen Aufsatz einer sachkundigen Kritik
zu unterziehen. Woche für Woche im Semester mußte
der Student zur vereinbarten Stunde bei seinem Tutor erscheinen
- im Idealfall waren beide vorbereitet.
C.S.Lewis war immer vorbereitet und seine Studenten hatten
nichts zu Lachen, wenn sie faul waren. Bei den Studenten jedoch,
die wirklich etwas lernen wollten, war C.S. Lewis nicht nur
beliebt, sondern vereehrt. Viele hofften, ihn als Tutor zu
bekommen, obwohl es härteste Arbeit bedeuten würde.
Er selbst war nicht nur gut vorbereitet, sondern aufmerksam
und wohlwollend, wenn der Student es verdiente. Im Laufe der
Zeit stellte er allerdings fest, daß nur wenige so begabt
waren, wie er selbst, und milderte seine Ansprüche etwas.
Keiner ahnte, wie sehr er unter der Last dieser vielen Stunden
Lehrverpflichtung gelitten hat, weil nur das Tagebuch es verrät:
Er sehnte sich danach, mehr Zeit zum Lesen, Denken und Schreiben
zu haben.
Professor Kirk im großen, alten Haus auf dem Land führt
schon eher das Leben, daß Jack Lewis vollkommen genossen
hätte.
Eigener Forschung nachgehen und Bücher schreiben konnte
ein Fellow dagegen nur in der spärlich verbleibenden
Zeit. Dennoch brachte Lewis bis 1935 sein Werk über die
"Allegory of Love" zustande, was ihm auch den Ruhm
eines Gelehrten brachte.
Was die ehrfurchtgebietende Erscheinung angeht, beruht natürlich
vieles auf Hörensagen, was die Studenten von Generation
zu Generation weitergeben. Eine dieser Geschichten ist diese:
Wenn ein Student zu seiner Verteidigung Jack Lewis gegenüber
bezweifelte, man könne im Kopf behalten, was da zu lesen
gewesen war, dann bat der Meister ihn, einen Zahl zwischen
1 und 10 zu nennen. Das war dann das Regal. Dann eine Zahl
zwischen 1 und 8, das Brett im Regal. Als letztes eine Zahl
zwischen 1 und 30, das Buch. Dann durfte die traurige Gestalt
eine beliebige Seite aufschlagen, die ersten Sätze eines
Abschnitts vorlesen und Jack Lewis übernahm dann aus
dem Gedächtnis den Rest.
Bleibt also noch die Frage, ob er auch als Redner in den Vorlesungen
Erfolg hatte.
Zu Beginn seiner ersten Vorlesung über "Das moralisch
Gute - seine Stellung unter den Werten", hatte er vier
Hörer, von denen allerdings zwei im Laufe des Semesters
verloren gingen. Es war die Vertretung für E.F. Carrit,
einen seiner ehemaligen Philosophielehrer, der für ein
Jahr eine Gastprofessur an einem andern Ort wahrnahm.
Die Kunst der Vorlesung besteht darin, nicht alles zu sagen,
was man weiß, und von dem, was man ausgewählt hat,
deutlich zu machen, warum es das Wichtigste ist. Jack Lewis
besann sich auf seine eigene Erfahrung: Die Studenten im Vorlesungsaal
vor einem Stehpult sitzend schlafen schnell ein, wenn der
Professor einen Text abliest, den er aus Gründen der
Effizienz schon lange vorher zusammenhängend geschrieben
und dann in 14 Stunden für das Trimester aufgeteilt hat
(in England drei -mester, nicht Semester wie in Deutschland).
Besser ist es, wenn aus dem Stegreif gesprochen wird, d.h.
wenn der Vorleser selbst in dem Moment, wo er (auf dem Steg
in Erwartung des Schiffes, das er festbinden will, bzw.) im
Thema steht, die Sache selbst im Blick haben, von ihr ergriffen
sein muß, damit er das richtige Wort ergreift, um sie
verständlich zu machen.
Daher hielt Jack Lewis von Anfang an nur in Stichworten fest,
wovon er sprechen wollte, und trat dann den Studenten als
Gesprächspartner gegenüber. Das wirkte. Schon zu
seiner ersten Vorlesung als Fellow von Magdalen kamen mehr
neugierige Zuhörer, als der Raum fassen konnte. Und in
den dreißiger und vierziger Jahren waren seine Vorlesungen
die einzigen, die die Hörsäle in Oxford füllten.
Möglicherweise ist das einer der Gründe, warum die
Professoren der Universität ihn nie zu einem Kollegen
wählen wollten. Sicher aber hat es ihm geschadet, daß
seine Stimme auch sehr erfolgreich in den Äther drang.
Aber bevor ich erzähle, wie er weltberühmt wurde,
möchte ich noch seinen Alltag und seine Lebensbedingungen
beschreiben, wie sie aussahen, bis Mrs. Moore 1948 in ein
Pflegeheim kam und dann im Jahr 1951, 79-jährig, starb.
Im Jahr 1931, nach elf Jahren ständigen Wohnungswechsels
und ein Jahr vor Warnies Pensionierung als Major, kauften
die Brüder Lewis zusammen mit Mrs. Moore ein Haus und
ein schönes Grundstück, auf dem noch ein alter Schornstein
von einem Ziegelbrennofen stand, ein "kiln". Das
Haus lag in Headington Quarry, 5 Kilometer von der Stadt entfernt.
Vater Lewis war gestorben. Der Lewis Anteil an den 3.300 Pfund
kam aus dem Verkauf des Elternhauses in Irland. Von 500 Pfund
Jahresgehalt als Fellow blieb nicht genug über, um ein
Haus zu kaufen. Hätten sie auch noch 300 Pfund mehr für
den danebenliegenden Acker aufbringen können, dann hätte
das Haus auch heute noch das ländliche Flair um den Teich,
in dem Jack so gerne geschwommen hat. Mrs. Moore war Besitzerin,
die Brüder Lewis die Erben und Maureen Moore deren Nachfolgerin.
1932 waren alle vier dort eingezogen.
Mrs. Moore war eine gute Hausfrau und sehr gastfreundschaftlich.
So nahm sie während des zweiten Weltkrieges auch vier
Schulmädchen auf, die aus London evakuiert worden waren.
Hin und wieder mußte Jack Lewis für Unterhaltung
sorgen und die Kinder bei Laune halten. Wahrscheinlich bekam
er damals die Idee für die Narnia-Chroniken, denn auf
dem Rücken eines anderen Buches, das er damals schrieb
notierte er den Anfang einer Geschichte von Ann, Martin, Rose
and Peter, die aus London stammen und im Haus eines sehr alten
Professors auf dem Land evakuiert sind....
So schön The Kilns war, während der Woche kam Jack
zunächst nur zum Nachmittagstee dorthin. Meist holte
Maureen ihn in Oxford ab. Nur das Wochenende verbrachte er
ganz dort. Die Trennung beider Welten, hier die Universität
mit ihren Aufgaben, dort die Hausaufgaben, die Mrs. Moore
den "boys", wie sie Jack und Warnie nannte, auftrug,
war bitter nötig: Seine Bücher wären sonst
wohl nie geschrieben worden. Denn Mrs. Moore kümmerte
sich wenig um die Schreiberei, wenn es Arbeit im Haus gab.
Lewis hielt so erfolgreich an seiner Lebensordnung fest, daß
viele Oxforder Studenten meinten, er lebe allein und habe
nur seine Zimmer im College, was hieß: Aufstehen um
700 Uhr, gegen 800 Uhr Kapelle, danach Frühstück,
von 900 - 1300 Tutorien oder Vorlesungen (vorbereiten), Mittagspause
mit Essen, Spaziergang, Tee in The Kilns, von 1700-1900 Uhr
Tutorien und Vorlesungen, danach Essen und später Treffen
in den Clubs.
Aber was heißt und warum auf einmal frühmorgens
in die Kapelle und was für Clubs sind gemeint? Zuerst
müssen wir den Grund sehen, warum er plötzlich in
die Kapelle geht, denn die Clubs wurden aus demselben gegründet.
Man könnte ein eigenes Buch darüber schreiben, wie und warum C. S. Lewis, der hartnäckige Atheist, Christ wird, obwohl er sich mit Nietzsche und Psychoanalyse immunisiert hatte. Es ist sogar eine ganze Anzahl von Büchern darüber geschrieben worden, die sich in zwei Arten aufteilen: auf der einen Seite Biographien, die mehr erzählen von den Freunden, den Vorbildern die wichtig waren auf seinem Weg zum Glauben und wie der Ablauf der Ereignisse war; auf der anderen Seite Bücher, die sich mit den Gründen beschäftigen, die ihn bewegt haben. Meiner Erfahrung nach ist solche Lektüre zwar ziemlich informativ, wenn man aber darüberhinaus nachvollziehen will, was Jack Lewis eigentlich dazu bewogen hat, wieder zum Glauben seiner Eltern zurückzukehren, dann liest man am besten seine eigenen Bücher.
Hier also nur ganz kurz, so gut, wie ich es eben zusammenfassen
kann:
Es gab keinen bestimmten Grund, warum er sich vom Glauben
an Gott verabschiedet hatte. Er schien ihm einfach irgendwann
nicht mehr plausibel zu sein; außerdem war das, was
er im Gottesdienst Sonntag für Sonntag mit seinen Eltern
in Belfast wahrnahm, langweilig und moralinsauer. Warum sollte
man an etwas völlig Unbewiesenes glauben, zumal in den
verschiedenen Religionen die unterschiedlichsten Behauptungen
aufgestellt werden? Darunter gab es interessantere Mythen
als den christlichen Mythos. Begeistert hatte er als Schüler
seine frühere Religion gegen das "Nordische"
eingetauscht. Als er bei "Kirk" studierte, legte
er diese weniger logische Seite seines Lebens und seiner Persönlichkeit
in die Schublade "Einbildung" und alles, was zwingend
bewiesen und wirklich existent erschien, durfte in die Schublade
"Logisches Denken".
In der gleichen Zeit lernte er seinen zweiten Meister kennen - durch ein Buch. Es enthielt eine Art von Erzählung, die sich an die Mythen anlehnte: Es war "Phantastes" von George MacDonald. Dieses Buch prägte seinen mythischen Geschmack so sehr, daß ihn fortan alle geschmacklosen, ekelhaft, grauenvollen Mythen anwiderten, und er nur noch Gefallen fand an Mythen, die auf Ideale gegründet waren, die er später als "Heiligkeit" erkannte. Damals wußte er nicht, daß MacDonald Pfarrer gewesen war. Vielleicht hätte er das Buch dann gar nicht gelesen. Aber jetzt war es um ihn geschehen.
(Man muß offenbar zwischen Geschmack an mythischen Erzählungen überhaupt und schlechtem Geschmack, was Mythen angeht, unterscheiden. Ich selbst habe mal ein Buch von MacDonald gelesen, weil ein Freund es sehr empfohlen hatte. Es ist einfach nicht mein Fall gewesen. Dadurch wird mir mein Freund aber lange nicht unsympathisch. Denn es ist eine andere Frage von Geschmack, wenn wir erkennen, daß Geschmack mit Bildung zu tun hat, weil man seine Vorstellung und Phantasie durch Blut- und Schlamm-Geschichten verderben kann.)
Für C.S.Lewis blieb George MacDonald der Größte, einfach deshalb, weil er ihm die "Taufe seiner Phantasie" verdankt. Die Narnia-Geschichten wollen genau dies für Kinder ermöglichen: Ihre Einbildungskraft, die Vorstellung soll so gebildet werden, daß sie Geschmack am Heiligen finden und die Bibel später besser verstehen können, ohne daß es dabei langweilig wird. Aber mit diesem mythologischen Vorverständnis ist man noch lange kein Christ. C. S. Lewis brauchte noch fünfzehn Jahre, bis er sich zu Christus bekehrte. Das kam so:
Er kannte und schätzte alle seinerzeit bekannten Mythen der Menschheit und betrachtete sie als Geschichten der Menschheit, die man als Psychologe oder Literaturwissenschaftler mit Gewinn deuten kann. Denn in ihnen treten die Ur-Ängste und Ur-Hoffnungen des Menschen in erzählten Bildern aus dem Unterbewußtsein an die Oberfläche; manchmal werden in ihnen auch die Erfahrungen der Kulturen verdichtet, die in ihnen besondere Ereignisse verarbeiten. Durch die Geschichten von Odin und Zeus, Dietrich von Bern und Odysseus lernen wir etwas darüber, wie der Menschen, die die Mythen überliefern, sich selbst und ihre Welt, Vergangenheit und Zukunft sehen. Das ist interessant, aber es ist nicht die Wirklichkeit. Denn Mythen sind nur Geschichten, sie sind nicht die Geschichte.
Nun hatte Jack Lewis das Glück, daß er in Oxford Freunde in seinem Alter fand, die genauso gebildet waren wie er, die sein Interesse an Mythen und seine Sicht des Mythos teilten, sich aber weigerten, das Evangelium von Jesus Christus auf dieselbe Stufe zu stellen wie die vielen Geschichten der Menschheit. Viele Spaziergänge am Nachmittag und Diskussionen am Abend waren nötig, bis ihm die Wahrheit aufging: im Evangelium wird ein einzigartiger Mythos erzählt, der nicht eine Geschichte ist, sondern die Geschichte, weil er Wirklichkeit ist.
Vor ihrer Entdeckung von Narnia führen Peter und Susan mit Prof. Kirk ein Gespräch, um herauszufinden, ob sie der unglaublichen Geschichte von Lucy glauben sollen oder eher Edmund, der leugnet irgendetwas gesehen zu haben und alles für bloße Einbildung erklärt. Die logischen Argumente, die Kirk ihnen beibringt, geben ein Teil des Problems wieder.
Aber die intellektuelle Einsicht allein reicht aber nicht
aus, der Wille muß auch zustimmen. Die bleibende Gegenwart
Christi, die Wirklichkeit des christlichen "Mythos",
mußte erfahren werden. Lesen wir, wie er selbst das
beschrieben hat:
"Sie müssen sich vorstellen, wie ich allein Abend
für Abend in jenem Zimmer in Magdalen saß und,
wann immer mein Geist sich auch nur für eine Sekunde
von meiner Arbeit erhob, das stetige, unaufhaltsame Nahen
dessen spürte, dem nicht zu begegnen ich mir so ernstlich
wünschte. Was ich so sehr fürchtete, hatte mich
eingeholt. Im Trinity Term 1929 lenkte ich ein und gab zu,
daß Gott Gott war, und kniete nieder und betete; vielleicht
in jener Nacht der niedergeschlagenste und widerwilligste
Bekehrte in ganz England."
Seit seiner Bekehrung hat er seine Talente als Auftrag begriffen,
sich ganz in Wort und Schrift zur Verfügung zu stellen,
um für den Mythos zu werben, der wirkliche Geschichte
geworden ist.
Zuerst gründete er mit den Freunden den Socratic Club.
Einen Stammtisch in The Eagle and Child hatte er auch, aber
ein Club ist doch noch etwas anderes. Es sollte diskutiert
werden. Aber nicht über Politik und Gesellschaft, sondern
über Gott und die Welt. Seine Bücher, die erst später
geschrieben hat, geben, so unterschiedlich sie sind, die Themen
wieder. Sie leben alle von der Entdeckung: die Mythen, die
Bilder und Geschichten der Menschheit vermögen unsere
Vorstellung gefangen zu nehmen, weil sie uns gestatten, der
Wahrheit über den Menschen näher zu kommen; aber
wir kommen dem Menschen nicht nah genug, wir lernen uns selbst
nicht vollkommen kennen, wenn wir sie mit der Wirklichkeit
verwechseln. Es gibt uralte Archetypen und hochaktuelle Mythenbildung.
Mal geben Dichter ihnen neue Gestalt, mal sind es Psychologen
oder Naturwissenschaftler, die ihre Weltanschauung mit den
neuesten Experimenten zu einer Theorie verbinden. Dahinter
stehen drei berühmte Fragen: Woher kommen wir Menschen
- aus der Natur oder aus dem Willen Gottes? Warum sind wir
hier - ohne Sinn oder mit einer individuellen Aufgabe? Wohin
gehen wir - ins Nichts oder in die Gemeinschaft aller Heiligen
mit Gott? Kurz: Was ist der Mensch - nichts Besonderes oder
Geschöpf und Kind Gottes?
Viele sind in diesen Fragen so verunsichert, wie C.S.Lewis
selbst bis in sein dreißigstes Jahr. Der Club sollte
beweisen, daß man sich nicht schämen muß,
Christ zu sein. So wurden berühmte und gebildete Zeitgenossen
eingeladen, ganz gleich ob sie glaubten oder nicht. Aber wehe
ihnen, wenn sie den Socratic Club in Oxford betraten und behaupteten,
sie hätten die Wirklichkeit erfaßt, begriffen und
erklärt. Denn vor den Studenten und Professoren der Universität
mußte ein Vertreter der einen Meinung auf das Podium,
ihm gegenüber ein Vertreter der Gegenseite. Nach Statement
und Antwort durften alle Fragen stellen. C.S. Lewis mußte
als einer der Gründer des Clubs häufig vorne sitzen
und kannte dabei kein logisches Pardon, wenn es darum ging,
die Stellung des Menschen im Kosmos gegen jene zu verteidigen,
die uns zu anonymen Rädchen im Getriebe der ewigen Natur
herabwürdigen wollen.
Immer, so erzählt eine weitere Oxforder Legende, die
leider in der Literatur zu Lewis kuriose Blüten treibt,
sei er als strahlender Sieger aus den Debatten hervorgegangen,
nur einmal habe ihn ein Frau völlig geplättet, die
katholische Philosophin G.M.E. Anscombe. Aus den Protokollen
des Clubs läßt sich das nicht nachvollziehen. Lewis
hatte behauptet, daß man nicht sinnvoll Naturalist sein
kann. Denn, wer behauptet, das alle Wirklichkeit notwendig
(bio-)mechanisch bestimmt ist, der muß den Geist leugnen,
mit dem er die Behauptung aufstellt. Natürlich war die
Debatte komplizierter und Lewis hat danach sein Argument nochmal
überarbeitet, um mißverständliche oder doppeldeutige
Formulierungen zu vermeiden. Zur zweiten Ausgabe von "Wunder"
(vgl. 3. Kap. von "Miracles") hat ihm Anscombe,
deren Mann, der Philosoph Peter Geach, eh auf Lewis's Seite
war, dann auch gratuliert. Trotzdem geht die Mär, Lewis
habe danach nicht mehr den Mumm gehabt, das Christentum zu
verteidigen, und sich auf das Schreiben von Kinderbüchern
verlegt.....
Richtig daran ist, daß C.S. Lewis während er die
Narnia-Chroniken schrieb, nicht mehr ganze Bücher zur
Verteidigung des Glaubens geschrieben hat, sondern nur noch
einzelne Artikel, die Neuauflage von "Wunder" und
Bücher für Leute, die längst Christen sind
und nun tiefer in ein Leben aus dem Glauben geführt werden
wollen. Dafür gibt es zwei Gründe, die wir kennenlernen,
wenn wir erfahren haben, wie er in den vierziger Jahren zum
Radiostar wurde und warum er sich auch dort zurückzog,
obwohl ihn alle drängten, weiter zu machen.
James Welch, ein Redakteur der BBC, hatte das 1939 erschienene
Buch "Über den Schmerz" (The Problem of Pain)
gelesen und sofort den Autor gebeten, 15-Minuten-Ansprachen
über den Glauben zu halten. Jack Lewis haßte das
Radio, weil es ablenkt und viel Unsinn verbreitet. Aber er
fühlte sich verpflichtet, etwas für das Land zu
tun, weil die Regierung ihn, obwohl er unter 41 gewesen war,
nicht zum Kriegsdienst eingezogen hatte, sondern in Oxford
lehren ließ. Später hat er dann auch für die
Royal Air Force ebenso erfolgreich gesprochen.
Da er geistreich, wortgewandt und sehr humorvoll war und eine
gute Stimme hatte, gab er den idealen Sprecher ab und wurde
bald auf beiden Seiten des Atlantiks so berühmt, daß
er in jedem christlichen Haushalt bekannt war, noch bevor
er auf dem Titelbild von Time-Magazine landete. Seine Bücher,
besonders die "Dienstanweisungen an einen Unterteufel"
(Screwtape letters) wurden sofort zu Bestsellern.
Die Vorträge hat er in drei Büchern veröffentlicht,
die später in einem Band "Mere Christianity"
(dt. "Christentum schlechthin" oder "Pardon,
ich bin Christ") zusammengefaßt worden sind. Nach
1944 wollte er nicht weitermachen. Warum? "Weil ich alles
gesagt habe, was ich zu sagen habe", war seine Antwort.
Dazu kommt noch die Weisheit, sich nicht auf die falschen
Themen zu versteifen. Wer nämlich den Glauben verteidigt,
der muß dauernd in den Gedankenbahnen der Zweifler und
Leugner denken, weil sie ja nicht bereit sind, dem Evangelium
ein offenes Ohr zu schenken. Thomas von Aquin hat daher schon
im Mittelalter den Theologen mit dem Märtyrer verglichen:
Der eine läßt seinen Leib foltern, um Christi willen,
der andere seinen Geist. Man braucht Demut, um zuzugeben,
daß man den Trost durch Gebet und Betrachten des Evangeliums
selbst so sehr nötig hat, daß man das Säbelrasseln
fortan besser anderen überläßt. Gelegentlich,
wie er in der Fortsetzung zu den "Dienstanweisungen"
zugibt, konnte er dennoch nicht widerstehen, gab der Versuchung
aber nur mit Widerwillen nach. (Vgl. "Screwtape proposes
a toast")
15 - Löwe der Logik und der Phantasie
16 - Der Himmel auf Erden: Cambridge
17 - Verheiratet, verliebt, verlobt
18 - Zu Tode betrübt
19 - Still working ....
wird fortgesetzt
Die Chroniken von Narnia (7 Bände)
Die Weltraum-Trilogie:
Jenseits des schweigenden Sterns
Perelandra
Die böse Macht
Du selbst bist die Antwort
Dienstanweisung für einen Unterteufel
Über den Schmerz
Wunder. Eine vorbereitende Untersuchung
Die Abschaffung des Menschen
Gott auf der Anklagebank
Pardon, ich bin Christ
Was der Laie blökt
Überrascht von Freude